European Hydrogen Backbone

Wasserstoff für ganz Europa – der European Hydro­gen Back­bone wächst weiter

Die aktuelle Lage in der Ukraine hat vieles verändert. Die Friedens­ordnung in Europa und die Hoff­nung auf ein part­ner­schaft­liches Russ­land sind auf Jahre oder gar Jahr­zehnte zer­stört. Dabei scheint eines fast schon neben­säch­lich, den­noch ist es von zen­traler Be­deu­tung für uns alle. Der Kon­flikt zwingt uns, mit neuem Blick auf die Energie­ver­sor­gung und die Energie­wende zu schauen.

Hier kommt vor allem Wasser­stoff ins Spiel. Er ist nicht nur essen­ziell bei der De­karboni­sierung ver­schie­dener Sek­toren, sondern auch bei der Di­ver­si­fi­zie­rung unserer Energie­quellen. Da­durch kann Wasser­stoff einen Bei­trag dazu leis­ten, die zu­künf­tige Ener­gie­ver­sorgungs­sicher­heit in Deutsch­land zu er­höhen. Es muss alles getan werden, um den Wasser­stoff­hoch­lauf in Deutsch­land und Europa schnellst­möglich in Gang zu bringen.

Angesichts des Kriegs in der Ukraine hat die Euro­päische Kommis­sion REPowerEU ver­öffent­licht. Dieser Plan sieht den Aus­stieg aus der Ein­fuhr fos­siler Brenn­stoffe aus Russ­land deutlich vor 2030 vor und soll die Wider­stands­fähig­keit des euro­pä­ischen Energie­systems erhöhen. Er zielt darauf ab, die euro­päische Gas­ver­sor­gung zu di­ver­si­fi­zie­ren und die Ein­führung von er­neuer­baren Gasen und Wasser­stoff in Eu­ropa zu be­schleu­nigen. Dazu brau­chen wir ein euro­päisches Wasser­stoff­netz, das in einer ge­mein­schaft­lichen Pla­nung mit anderen Energie­infra­struk­turen dafür sorgt, dass nach­haltige Ener­gie in Euro­pa an die rich­tigen Stel­len kommt.

Hierzu haben die euro­pä­ischen Fern­lei­tungs­netz­be­trei­ber den European Hydro­gen Back­bone (EHB) ent­wickelt. Die neu­es­te Aktuali­sierung un­serer Vision für ein euro­pä­isches Wasser­stoff­netz stel­len wir Ihnen heu­te vor. Seit der ers­ten Ver­öffent­lichung eines euro­pä­ischen Wasser­stoff­netzes im Jahr 2020 wurde der EHB ste­tig weiter­ent­wickelt. An­ge­fangen bei elf Netz­be­trei­bern aus zehn euro­päi­schen Ländern, um­fasst der EHB nun 31 Infra­struktur­be­treiber aus 28 Ländern.

Das Wichtigste im Überblick:
  • Der Bericht enthält zwei ak­tua­li­sierte Kar­ten der euro­päi­schen Wasser­stoff­infra­struktur für die Jahre 2030 und 2040. Bis 2040 wächst das Netz auf eine Länge von etwa 53.000 km an. Rund 60 % der Lei­tungen sind dabei bereits exis­tierende, auf Wasser­stoff um­ge­stellte Erd­gas­lei­tungen. Die In­ves­titions­kosten betragen 80 bis 143 Milliarden Euro.
  • Die ak­tuali­sierte Karte 2030 ist auf das REPowerEU-Ziel der Euro­pä­ischen Kom­mis­sion ab­ge­stimmt, einen Markt für 20,6 Millionen Tonnen er­neuer­baren und kohlen­stoff­armen Wasser­stoff in Europa bis 2030 zu ent­wickeln.
  • Im Zentrum der Be­trach­tung lie­gen Import­korridore für Wasser­stoff.

Der EHB 2030 – beschleunigter Auf­bau der Wasser­stoff­infrastruktur und der Import­korridore

Auf der Grundlage einer Analyse der Produktions­potenziale, der Nach­frage­zentren und der Ein­schätzun­gen der Fern­leitungs­netz­betreiber hin­sichtlich der Mög­lich­keit, bestehende Erd­gas­leitungen um­zu­widmen und neue Wasser­stoff­lei­tungen zu bauen, werden sich bis 2030 bis zu fünf Ver­sorgungs­korridore in Europa entwickeln. Die Ver­bindung der Regionen, in denen große Poten­ziale zur Her­stel­lung von grünem Wasser­stoff vor­handen sind, mit den Wasser­stoff­ver­brauchern in der Mitte Euro­pas wird zu­nehmend an Bedeu­tung gewinnen, da sich der Ein­satz von Wasser­stoff im Verkehrs-, Industrie-, Wärme- und Energie­sektor be­schleunigt. Dies führt dazu, dass die Nach­frage das An­ge­bot in Re­gionen mit be­grenz­tem Poten­zial zur Er­zeugung erneuer­barer Ener­gien über­steigt. Die aktu­ali­sierte und be­schleu­nigte EHB-Vision für 2030 zeigt, dass die euro­päi­schen Fern­leitungs­netz­betreiber bereit sind, die zur Er­reichung der REPowerEU-Ziele er­forder­liche Infra­struktur bereit­zustellen.

Rohrleitungen
  • Umstellung
  • Neubau
  • Import/Export
  • Unterwasser
  • Leitungen in UK bis 2030 stehen unter dem Vor­behalt der Aus­wahl von Wasser­stoff-Clustern
Speicher
  • Salz­kaverne
  • Grund­wasser­speicher
  • Aus­geschöpf­tes Förder­feld
  • Felsen­höhlen­speicher
Andere Zeichen
  • Städte, zur Orientierung
  • Energy Hub/Offshore-Wind Wasser­stoff­produktion
  • Existierendes oder geplantes Gas­import-Terminal

Die fünf Haupt­versorgungs­routen1 im Überblick:

In Südeuropa wird ein Korridor ent­stehen, der die Pro­duk­tion in Nord­afrika über Italien mit Mittel­europa ver­bindet. Mit­hilfe der Um­stellung be­stehender Erd­gas­leitungen in Italien, Öster­reich, der Slowakei und der Tschechi­schen Repu­blik kann auf diesem Weg grüner Wasser­stoff aus Nord­afrika nach Mittel­europa impor­tiert werden. So wird kosten­güns­tiger grüner Wasser­stoff aus Tunesien und Algerien zur De­kar­bo­ni­sie­rung der be­stehenden Indus­trien ent­lang der Transit­strecke sowie der süd­deutschen Cluster in Bayern, im Rhein-Main-Gebiet und im Rhein­land bereit­gestellt.

Iberische Halbinsel

Ein weiterer Korridor wird für den Import aus Spanien ent­stehen. Eine neue Pipe­line­ver­bin­dung zwischen Spanien und Frank­reich durch die Pyre­näen ermög­licht eine stabile Ver­sor­gung der Ab­nehmer in der Region. Diese Route kann eine wich­tige Rolle bei der De­kar­bo­ni­sie­rung der regio­nalen Indus­trie- und Verkehrs­öko­systeme in Spanien und Fran­kreich spielen und Wasser­stoff zu geringen Kos­ten in die Nach­frage­zentren in Deutsch­land liefern. Länger­fristig kann so auch der Zugang zu Wasser­stoff aus Marokko er­mög­licht werden.

In der Nordsee entsteht die dritte Route. Sie basiert auf Offshore-Wind­kraft­anlagen, großen inte­grierten Wasser­stoff­projekten und Schiffs­importen von Wasser­stoff­derivaten wie Ammoniak, Methanol und Flüssig­wasser­stoff. Gedeckt wird hier die Nach­frage rund um die Industrie­cluster und Häfen von Rotter­dam, Zee­brügge, Ant­werpen, Wilhelms­haven und Le Havre. In Deutsch­land werden über leitungsge­bun­denen Trans­port Wasser­stoff­cluster im Nord­westen, im Ruhr­gebiet und im Osten (z. B. im mittel­deutschen Chemie­dreieck) er­schlos­sen, die durch den EHB mit anderen nord­west­euro­pä­ischen Län­dern ver­netzt sind.

Nordisch-baltische Route

Ein zusätz­licher Ver­sorgungs­korridor ver­bindet die nordische und baltische Wasser­stoff­produktion mit dem übrigen Europa und baut auf regionalen Netzen rund um Industrie­cluster in den Regionen Jütland, Göteborg und der Bott­nischen Bucht auf. Dank des großen On­shore- und Off­shore-Wind­potenzials können hier zahl­reiche neue Stahl- und E-Kraft­stoff-Projekte in den nordischen Ländern ver­sorgt werden, und die be­stehende Industrie entlang der Ostsee-Route kann de­kar­bo­ni­siert werden. Da dieser Korridor größten­teils aus neu gebauten Pipe­lines be­stehen wird, hängt die Ent­wicklung dieser Route bis 2030 ins­be­sondere von der Ge­schwin­dig­keit und Effizienz der Ge­nehmi­gungs- und Planungs­prozesse in den betref­fenden Regionen ab.

Ost- und Südosteuropa

In Ost- und Süd­ost­europa entsteht der fünfte Korridor, der Wasser­stoff­abnehmer in Mittel­europa mit Regionen mit großen Poten­zialen an er­neuer­baren Energien in Ländern wie Rumänien, Griechen­land und der Ukraine verbindet. Diese Regionen haben durch große Flächen­ver­füg­bar­keit, hohe Kapazitäts­faktoren für Solar- und Wind­energie sowie die Mög­lich­keit, große Transit­gas­pipe­lines um­zu­widmen, beste Vor­aus­setzungen für Wasser­stoff­produktion und -transport. Leider be­stehen entlang dieser Route große Un­sicher­heiten be­züglich der die Ent­wick­lung der künftigen Erdgas­ströme.

1 Die hier auf­ge­führte Reihe­nfolge stellt keine Prio­risie­rung oder zeit­liche Ab­folge dar.

Was muss für den be­schleu­nigten Aufbau des EHB jetzt passieren?

Der Aufbau von Energie­infra­strukturen steht immer in einem direkten Zu­sammen­hang mit der dafür not­wen­digen Regu­lierung. Wir schlagen daher folgende Punkte vor, um die Um­setzung des EHB zu ermöglichen und so eine resiliente Ver­sorgung mit Wasser­stoff in Europa zu ermöglichen:

  • Im EU-Gasmarkt­paket werden Neuerungen bei den Ent­flechtungs­regeln für Wasser­stoff­netze vor­ge­schlagen. Im Bereich der verti­kalen Ent­flech­tung wird dabei grund­sätz­lich eine eigen­tums­recht­liche Ent­flech­tung vor­ge­geben. Diese Vor­gaben würden den wichtigen schnellen Hoch­lauf von Wasser­stoff mindes­tens ver­zögern. Für die Wasser­stoff­infra­struktur müssen daher die Ent­flechtungs­modelle ITO, ISO und eigen­tums­rechtliche Ent­flechtung gleicher­maßen zu­lässig bleiben.
  • Beschleu­nigung von Planungs- und Genehmi­gungs­prozessen für Wasser­stoff­projekte und deren Infras­truktur.
  • Einführung eines geeigneten Rahmens zur Finan­zierung über gemein­same Entgelte für Wasser­stoff und Erd­gas und die Erwei­terung und Verein­fachung des IPCEI-Programms.
  • Einführung einer inte­grierten Netz­planung für Wasser­stoff, Erd­gas und Strom auf euro­päischem Level.
  • Inter­nationale Wasser­stoff­partner­schaften und europa­weite Standards für die Wasser­stoff­qualität.

Aktuell wird in Brüssel als Teil der Fit-for-55-Initiative das EU-Gas­markt­paket ver­handelt. Darin finden sich auch Regeln für die Wasser­stoff­infra­struktur, die sich direkt auf die Um­setzung des EHB aus­wirken werden. Was die EU-Kommission plant und welche An­pas­sun­gen noch notwendig sind, können Sie in der ver­gan­genen Aus­gabe des OGE-Politik­briefs nach­lesen.

OGE setzt erste Teile des EHB in integrierten Wasser­stoff­projekten um

Damit der Aufbau des euro­päischen Wasser­stoff­netzes zügig gelingt, setzt OGE bereits in konkreten Projekten einzelne Teile des EHB um. Wir arbeiten dabei mit Partnern aus Energiewirtschaft und Industrie in wert­schöpfungs­ketten­über­greifenden Projekten zusammen, die als Puzzle­stücke für das gesamt­europäische Wasser­stoff­netz funktio­nieren und in den Planungen für den EHB enthalten sind.

Einige der wichtigsten Beispiele für diese Projekte sind:

Das Kern­projekt für den Aufbau der Wasser­stoff­infra­struktur in Deutsch­land ist H2ercules von RWE und OGE. Dadurch werden bereits Mitte der 20er-Jahre Elektro­lyseure sowie Speicher- und Import­möglich­keiten für grünen Wasser­stoff im Norden Deutsch­lands mit indus­triellen End­ver­brauchern im Westen und Süden Deutsch­lands ver­bunden. Weitere Import­routen aus dem Süden und Osten sollen bis 2030 an­ge­schlos­sen werden. So kann H2ercules das Rück­grat der Wasser­stoff­infrastruktur von der Nord­see­küste bis nach Süd­deutsch­land werden.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.

Im GetH2-Projekt wollen bp, Evonik, Nowega, RWE, Salzgitter, thyssenkrupp und OGE bis Mitte der 20er-Jahre eine erste Wasser­stoff­infrastruktur in Nieder­sachsen und im Ruhr­gebiet aufbauen. Dabei ent­steht bis zu 400 MW an Elektro­lyse­kapazität für grünen Wasser­stoff, der über größten­teils bestehende Gas­leitungen zu den Ver­brauchern (Stahl, Chemie, Raffinerie) trans­portiert wird.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.

Wilhelms­haven hat mit mehreren Groß­projekten rund um den zukunfts­trächtigen Energie­träger Wasser­stoff die Möglich­keit, ein wich­tiger Stand­ort für die Energie­wende zu werden. Als einziger Tief­wasser­hafen Deutsch­lands ist Wilhelms­haven optimal geeignet für Anlande­terminals für Wasser­stoff. Gleich­zeitig ist eine Anbindung an das geplante deut­sche Wasser­stoff­start­netz leicht möglich, die von Nowega und OGE im Projekt WH2Connect um­gesetzt wird.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.